Ist Open Source nur ein Ökosystem?

Der Begriff „Ökosystem“ wird in jüngster Zeit häufig in Zusammenhang mit Open Source gebracht. Bekannte Open Source Projekte wie Eclipse oder OpenJDK haben diesen Begriff hervorgebracht um einen wirtschaftlichen Aspekt von Open Source Software zu beschreiben. Das Ökosystem beschreibt in diesem Zusammenhang die Möglichkeit für Firmen und Individuen die Ergebnisse eines Open Source Projekts zu nutzen um selbst Lösungen und Produkte zu entwickeln und diese wirtschaftlich zu verwerten. Dabei ist durchaus auch der Gedanke enthalten durch einen regen Austausch von Informationen innerhalb des Ökosystems auch Erkenntnisse oder Anregungen zurück an das Open Source Projekt zu geben und so eine Art von Gemeinschaftlichkeit zu erzeugen.Mir geht dieser Gedanke eines Ökosystems in Verbindung mit Open Source jedoch zu wenig weit. Er verschleiert die Sicht auf einen aus meiner Sicht viel wichtigeren Gedanken von Open Source, nämlich die Weitergabe von Wissen innerhalb einer offenen Gesellschaft. Der primäre Gedanke von Open Source ist es, eine Lösung Anderen zur Verfügung zu stellen und diesen die Möglichkeit zu geben, die Weiterentwicklung von eigener Software zu vereinfachen. Warum machen Open Source Entwickler so etwas? Ist es nicht dumm eine hart erarbeitete Lösung einfach so „wegzugeben“? Die Idee eine gewonnene Erkenntnis Anderen zur Verfügung zu stellen ist kein Spleen des Internetzeitalters. Schon immer waren es die klügsten Köpfe einer Gesellschaft die Ihr Wissen Anderen frei zugänglich machten. Ob Wissenschaftler, Gelehrte oder religiöse Oberhäupter – immer schon haben diese Menschen Ihr Wissen verbreitet und es anderen Menschen zugänglich gemacht. Seinen Code als Open Source Entwickler öffentlich zu machen ist also nicht neu. Die Frage ist: warum schützen Open Source Projekte ihre Ideen nicht? Jeder Andere kann sie „klauen“?

DIE IDEE VON OPEN SOURCE

Wen man die wirkliche Idee hinter Open Source betrachtet, existiert die Frage nach dem Schutz einer Idee nicht. Ein Open Source Projekt sollte einem Anderen nicht den Zugang zu Code verwehren oder Anderen die Verwendung des Codes nur unter bestimmten eingeschränkten Bedingungen erlauben. Oder um es anders auszudrücken: Ein Open Source Projekt sollte sich nicht „angegriffen“ fühlen, wenn jemand außerhalb des Projektes den Code verwendet. Denn dies würde den Gedanken voraussetzten, das der Andere etwas „wegnehmen“ kann. Doch die Idee oder vielmehr die Erkenntnis die mit der Lösung eines komplexen Problems in Verbindung steht ist eben auch der Gedanke, dass im Moment der Lösung die Lösung selbst unbegrenzt zur Verfügung steht. Ein „wegnehmen“ ist daher einfach nicht möglich. Open Source drückt dies durch entsprechende Lizenzen wie die GPL aus und schafft somit die Idee des „Weitergebens“ von Code. Open Source Code steht somit deswegen frei zur Verfügung weil durch den Code selbst die Unbegrenzte Verfügbarkeit des Gedankens geschaffen wurde. Dieses Verhalten zeugt von sozialer Kompetenz und ist ein wichtiger Gedanke für eine offene Gesellschaft. Open Source hat also nichts mit Naivität oder Märtyrerdenken zu tun. Open Source ist eben weit mehr als ein nur ein Ökosystem.

MEHR ALS EIN ÖKOSYSTEM

Zurück zur Idee des Ökosystems. Was unterscheidet ein Open Source Projekt von kommerziellen Projekten? Open Source Projekte teilen ihr Wissen. Open Source teilt aber nicht nur die eigene Erkenntnis, sondern auch alle Ideen die damit in Zusammenhang stehen. Es gibt nicht Regeln die einzelne Gruppen oder Individuen ausschließen oder diese daran hindern würden die Ideen zu nutzen nur weil sie es sich nicht leisten können. Es geht um das Verständnis, dass Wissen allen Teilen einer Gesellschaft zur Verfügung stehen sollte um so eine Weiterentwicklung der Gesellschaft erst zu ermöglichen. Open Source betrachtet die Informationstechnologie als ganzheitliches System, nicht nur als eine Anhäufung von kleinen Ideen oder Lösungen, die für sich genommen herausgestellt oder abgetrennt werden könnten. Damit ist der Gedanke hinter Open Source weitgehender als dies durch ein Ökosystem ausgedrückt wird. Es ist eben nicht nur die Ökonomie gemeint – die Wechselbeziehung zwischen Wirtschaftsteilnehmern und Software Entwicklern. Es umfasst auch die Beziehung zwischen Software Entwicklern, Unternehmen und Anwendern wie auch Menschen außerhalb des Projektes. Open Source beinhaltet alle wechselseitigen Beziehungen einer offenen Gesellschaft in Bezug auf die Informationstechnologie. Die Einbeziehung des Gedankens über eine offene Gesellschaft bedeutet aber nicht das der Einzelne nicht „zählt“. Ganz im Gegenteil. Wie sehr der Einzelne von Bedeutung ist, spiegelt sich in der Tatsache wieder, dass bei Open Source jede Entscheidung die Auswirkung auf das gesamte System berücksichtigen sollte. Open Source Entwicklung bedeutet alle Ideen, Aspekte, Konzepte und Komponenten innerhalb des Systems für jeden möglichst auf optimale Weise zu unterstützen. Und dadurch wird jeder Teilnehmer in diesem System als wichtig betrachtet.

Open Source stellt also weit mehr als nur ein Ökosystem für unsere Gesellschaft dar.