Trotz KI, Automatisierung und modernsten Tools scheitern BPM-Projekte nach wie vor überraschend oft. Die Ursache liegt selten in der Technik, sondern in einem grundsätzlichen Missverständnis darüber, was Prozessdigitalisierung eigentlich bedeutet. Geschäftsprozessmanagement wird häufig entweder zum Spielzeug für die IT-Abteilung oder zur Enttäuschung für das Business. Es wird Zeit für einen dritten Weg: Open Process Management.
Das Missverständnis
Die Digitalisierung von Unternehmensprozessen ist meist ein IT getriebener Prozess. Unternehmen müssen schneller, flexibler und leistungsfähiger werden. Die IT bildet in der modernen Unternehmenswelt das Rückgrat. Grundsatzentscheidungen sind daher häufig auch dort angesiedelt: „Wie können wir Abläufe beschleunigen, Informationen schneller beschaffen, Transparenter kommunizieren – wie können wir mit KI unser Unternehmen smarter machen?“
Heute gibt es häufig nur zwei Ansätze, die beide scheitern: Der eine Ansatz besteht darin eine Technologie einzukaufen um daraus eine Unternehmenslösung zu entwickeln – meist hat dann am Ende die IT ein neues Spielzeug, aber das Business keine Lösung. Der andere Ansatz geht in Richtung ‚Easy BPM Tool‘ das alles kann und jeder damit seine Prozesse selbst bauen kann – nach zwei Jahren gibt man frustriert auf, weil echte Prozesse eben nicht easy sind.
Digitalisierung ist eine Managementfunktion – sie bildet Unternehmensstrategien auf die IT ab und nicht umgekehrt. Das bedeutet: Prozessmanagement muss offen für Strategien und Konzepte sein – für Fragen die erst morgen gestellt werden – für Ideen die unser Unternehmen verändern.
Open Process Management bildet diese Denkweise in einer völlig neuen Methodik und Softwareplattform ab und baut dabei auf folgenden Kernprinzipien auf:
- Business Process Layer
- Business Object Separation
- Legal Document Boundaries
- Context-Aware Workflows
Der Business Process Layer
Am Beginn des Prozessdesigns steht der sogenannte Business Process Layer (BPL). Der BPL beschreibt die betriebswirtschaftliche Sicht auf unterschiedliche Kernaktivitäten des Unternehmens und bildet die Metaebene, auf der alle operativen Workflows aufsetzen.
Die methodische Grundlage: Der Business Process Layer definiert Kernaktivitäten – wie Sales, Purchase, Innovation oder Debitorenmanagement – und grenzt diese klar von technischen und organisatorischen Details ab. Er beschreibt die betriebswirtschaftlichen Ziele und Verantwortlichkeiten einer Kernaktivität, ohne sich in Implementierungsdetails zu verlieren. Erst wenn der BPL klar umrissen ist, leiten sich daraus die eigentlichen fachlichen und technischen Workflows ab.
Ein Beispiel: Im Bereich „Debitorenmanagement“ werden alle finanziellen Transaktionen im Kundengeschäft gesteuert – von der Rechnungsstellung über Korrekturen und Gutschriften bis zur Zahlungsabwicklung und dem Forderungsmanagement. Der BPL beschreibt diese Kernaktivität auf strategischer Ebene. Die konkreten Workflows für Rechnung, Gutschrift, Mahnung oder Zahlungslauf sind dann die operativen Ausprägungen, die sich aus diesem BPL ableiten.
Die Konsequenz: Der Business Process Layer verhindert, dass technische Anforderungen oder Schnittstellendetails das Prozessdesign von Beginn an verzerren. Er stellt sicher, dass Workflows auf einer soliden betriebswirtschaftlichen Grundlage entstehen – nicht als Reaktion auf technische Gegebenheiten.
Business Object Separation
Nach der Definition des Business Process Layer folgt die Identifikation der einzelnen Geschäftsobjekte, die innerhalb dieses Layers prozessiert werden. Business Object Separation bedeutet: Jedes eigenständige Geschäftsobjekt erhält seinen eigenen Workflow – unabhängig davon, wie technische Schnittstellen diese Objekte liefern oder verpacken.
Die methodische Grundlage: Unterschiedliche Geschäftsobjekte haben unterschiedliche Logiken, Verantwortlichkeiten und Zielsetzungen. Eine Rechnung ist betriebswirtschaftlich etwas anderes als eine Gutschrift oder eine Korrekturrechnung – auch wenn externe Systeme sie im gleichen technischen Format liefern. Die fachliche Realität definiert die Workflows, nicht die technische Verpackung.
Ein Beispiel: Ein ERP-System sendet Rechnungen, Gutschriften und Korrekturrechnungen als XML-Datei mit identischem Schema – lediglich ein Feld ‚type‘ unterscheidet sie. Technisch gesehen: ein Datenstrom. Betriebswirtschaftlich betrachtet: drei völlig unterschiedliche Geschäftsobjekte, die in drei separaten Workflows abgebildet werden müssen.
Die Konsequenz: Business Object Separation schützt die Prozessarchitektur vor technischer Verzerrung und vermeidet das technische Schnittstellen das Prozessdesign diktieren. Damit bleiben Workflows schlank, verständlich und wartbar.
Legal Document Boundaries
Ein praktischer Indikator für notwendige Workflow-Trennung sind die Geschäftsdokumente selbst. Legal Document Boundaries bedeutet: Jedes eigenständige Rechtsdokument erhält seinen eigenen Workflow – denn unterschiedliche Dokumente haben unterschiedliche rechtliche Bedeutungen, Anforderungen und Konsequenzen.
Die methodische Grundlage: Geschäftsdokumente sind nicht nur Ausgabeformate, sondern rechtlich und betriebswirtschaftlich eigenständige Objekte. Eine Rechnung hat andere rechtliche Implikationen als eine Mahnung. Ein Angebot ist etwas anderes als ein Vertrag. Diese Unterschiede müssen sich in der Prozessarchitektur widerspiegeln.
Ein Beispiel: Ein Unternehmen modelliert einen „Rechnungsworkflow“ und integriert später die Mahnung als weiteren Prozessschritt. Doch Rechnung und Mahnung sind rechtlich unterschiedliche Dokumente mit jeweils eigenen Anforderungen, Fristen und Verantwortlichkeiten. Sie erfordern getrennte Workflows.
Die saubere Lösung: Mahnungen werden als eigenständiger Workflow modelliert, der auf die Rechnung referenziert. Damit bleiben beide Workflows fokussiert, rechtlich klar abgegrenzt und unabhängig wartbar.
Legal Document Boundaries schaffen Klarheit in der Prozesslandschaft – rechtlich unterschiedliche Vorgänge bleiben getrennt, auch wenn sie fachlich zusammenhängen.
Context-Aware Workflows
Ein weiteres zentrales Prinzip ist Context Awareness: Jeder Workflow kennt seinen eigenen Kontext – seine Beziehungen, seine Zugehörigkeiten, seine Verknüpfungen zu anderen Workflows. Context-Aware Workflows tragen ihre Kontextinformationen aktiv mit sich und machen diese für Menschen wie auch für KI-Systeme unmittelbar verfügbar.
Die methodische Grundlage: In der geschäftlichen Realität existiert kein Geschäftsvorgang im Vakuum. Ein Dokument gehört zu einem Sammelvorgang, ein Auftrag zu einer Kampagne, eine Anfrage zu einem Projekt. Diese Kontextinformationen sind entscheidend – sowohl für menschliche Bearbeiter als auch für KI-gestützte Automatisierung. Workflows müssen daher so modelliert werden, dass sie ihren Kontext kennen und mitführen. Das Prinzip: Der Workflow weiß, wo er hingehört.
Ein Beispiel: Ein Unternehmen bündelt hunderte Rechnungen in einem Zahlungslauf zur Übermittlung an die Bank. Die methodisch richtige Lösung: Nicht der Zahlungslauf-Workflow verwaltet eine Liste aller zugehörigen Rechnungen – sondern jede Rechnung speichert, zu welchem Zahlungslauf sie gehört. Der Workflow trägt die Information über seine Zugehörigkeit in sich. Damit kann jederzeit abgefragt werden: „Zeige alle Rechnungen, die zu Zahlungslauf Bank-1 gehören“ – ohne dass der Zahlungslauf selbst diese Liste pflegen muss.
Die Konsequenz: Context-Aware Workflows sind die Grundlage für intelligente Automatisierung. Wenn ein KI-System einen Workflow analysieren soll, kann es automatisch den vollständigen Kontext laden – alle verknüpften Workflows, alle relevanten Beziehungen. Die KI erhält sofort alle relevanten Informationen, ohne aufwändige Rückwärtssuche. Und bei KI geht es immer um Kontext. Context-Aware Workflows machen Prozesse transparent und ermöglichen KI-Systemen, mit dem richtigen Kontext zu arbeiten.
Fazit
Mit Open Process Management steht Ihnen eine moderne Methodik für die Digitalisierung Ihrer Unternehmensprozesse zur Verfügung. Die darin definierten Kernprinzipien bilden ein praxiserprobtes Framework für ein nachhaltiges Prozessdesign.
Diese Prinzipien helfen dabei, typische Fehler zu vermeiden und Prozesslandschaften zu schaffen, die auch nach Jahren noch wartbar und erweiterbar bleiben. Besonders bei der Integration von KI-Systemen bietet diese Methode völlig neue Möglichkeiten, Unternehmensprozesse zu digitalisieren.
Wir setzen in unseren Lösungen Open Process Management konsequent um – sowohl in unserer Plattform als auch in der Durchführung komplexer Digitalisierungsprojekte. Wir zeigen Ihnen, wie Sie Ihre Prozesse so gestalten, dass sie nicht nur heute funktionieren, sondern über Jahre hinweg mit Ihrem Unternehmen wachsen können.
Sprechen Sie mit uns über Ihre Prozesslandschaft. Wir analysieren gemeinsam, wo Sie stehen – und entwickeln einen Plan, wie Open Process Management bei Ihnen konkret aussehen kann.
